Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit?

Wird im Zuge der Schenkung eine wirtschaftlich untergeordnete Gegenleistung (z.B. Ausgleichszahlung) erbracht, so ist diese Vermögensübertragung als gemischte Schenkung zu qualifizieren. Auch eine solche gemischte Schenkung kann als unentgeltlich angesehen werden, soweit insgesamt Zuwendungsabsicht besteht und der Schenkungscharakter des Geschäfts überwiegt.

Früher hat das Finanzministerium die Auffassung vertreten, dass ein Schenkungscharakter überwiegt, soweit die Gegenleistung weniger als 50% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes beträgt. Im Jahr 2021 hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zu dieser „50%-Grenze“ Stellung bezogen und dabei andere gesetzliche Grundlagen als wesentlich erachtet. Diese Prozentgrenzen haben nun im Einkommensteuer-Wartungserlass 2023 Berücksichtigung erfahren. Dort wird nunmehr zwischen Übertragungen vor dem 16.11.2021 und nach dem 15.11.2021 unterschieden.

Für Übertragungen nach dem 15.11.2021 gilt:
  • Beträgt die Gegenleistung zumindest 75% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, ist davon auszugehen, dass eine entgeltliche Veräußerung vorliegt. Wird beispielsweise ein Grundstück übertragen, fällt daher ImmoESt an.
  • Beträgt die Gegenleistung höchstens 25% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, liegt eine unentgeltliche Übertragung vor. Auch außerhalb eines Angehörigenverhältnisses ist eine solche Übertragung daher als einkommensteuerfrei zu qualifizieren.
  • Beträgt die Gegenleistung mehr als 25%, aber weniger als 75% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, ist unter nahen Angehörigen von einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen. Eine solches Rechtsgeschäft ist daher als nicht einkommensteuerpflichtig zu beurteilen.
Für Übertragungen vor dem 16.11.2021 gilt:
  • Beträgt die Gegenleistung weniger als 50% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, liegt ein Missverhältnis und eine unentgeltliche Übertragung vor.
  • Beträgt die Gegenleistung zwischen 50% und 75% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes und wurde gegenüber der Abgabenbehörde keine Unentgeltlichkeit behauptet, kommt aufgrund der offenkundigen Willenserklärung, ein entgeltliches Rechtsgeschäft abschließen zu wollen, eine spätere „Umqualifikation“ auf eine unentgeltliche Übertragung nicht in Betracht.
  • Wenn hingegen eine unentgeltliche Übertragung gewollt war, diese vom Finanzamt aber unter Berufung auf die 50%-Grenze nicht anerkannt wurde, ist eine Abänderung/Aufhebung der Bescheide zwar grundsätzlich möglich, setzt jedoch verfahrensrechtliche Schritte voraus, die im Einzelfall geprüft werden müssen.
Die neue „75%-Grenze“ ist auch für Beteiligungs- und Unternehmensverkäufe anzuwenden. Bei Beteiligungen an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft wird allerdings der Anteil der übernommenen Schulden der Personengesellschaft als weitere Gegenleistung (zusätzlich zum Kaufpreis) angesehen.

Die Abgrenzung zwischen entgeltlichen von unentgeltlichen Geschäften ist nicht immer einfach. Bei Unklarheiten helfen wir gerne weiter!

Von

MEV Verlag GmbH